Die kulinarischen Anwendungsmöglichkeiten einer Kanonenkugel von Eli Brown

Ich habe es nicht geschafft an diesem Buch(-titel) vorbei zu gehen! Wie auch?

Als Hobbykoch und Genussblogger haben Wortschöpfungen wie „tasmanischer Bergpfeffer", „Marillensenf" oder „geröstetes Sesamöl" eine genauso große Anziehungkraft auf mich wie verheißungsvolle Buchtitel. Eli Browns Titel „Die kulinarischen Anwendungsmöglichkeiten einer Kanonenkugel" hat mich in etwa genauso getroffen, wie es der Titel selbst wohl getan hätte. 

 

Das hat noch einen zweiten Grund. Stevensons „Die Schatzinsel" war mein erstes Buch. Das erste Buch, welches ich als Jugendlicher gelesen habe und mir viel über Freundschaft und Abenteuer beigebracht hat. (An dieser Stelle ein deutlicher Hinweis: Die Schatzinsel ist kein Buch für einen Neunjährigen! Jedenfalls nicht, wenn sich die Eltern nicht die nächsten Wochen und Monate mit Albträumen beschäftigen wollen.)

 

 

Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt: Der Leibkoch eines Adeligen wird von einer Piratenkapitänin mitgenommen, nachdem sie den Adeligen erschossen hat. Einmal die Woche soll er für sie etwas Außergewöhnliches Kochen, sonst geht es ab über die Planke.

 

Wundervoll geschrieben und mit einem Detailreichtum, den ich in vielen anderen Büchern der letzten Monate stark vermisst habe. Es ist genauso eine kulinarische Reise, wie eine spannende Piratengeschichte. Beide Interessensgruppen werden mit diesem Kleinod zufriedengestellt.

 

Für Freunde der exotischen Küche gibt es Leckerbissen wie: „Hering-Paté mit Rosmarin auf Walnussbrot. Tee-geräucherte Aal-Ravioli, sautiert mit karamellisiertem Knoblauch und Lorbeerblatt. Und als Dernière S'épanouir in Rum pochierte Feigen, gefüllt mit Pilferd-Blue-Käse und mit Honig beträufelt."

 

... das klingt jetzt so, als hätte der gute Mann eine hervorragend ausgestattete Küche an Bord des Piratenschiffes vorgefunden. Doch damit der geneigte Leser keine voreiligen Schlüsse zieht, hier noch ein kleiner Auszug einige Seiten vorher:

„Auf einem Schiff ist es nicht leicht, Verzweiflung von echtem Genie zu unterscheiden, doch ich muss mir zum Einfallsreichtum des heutigen Tages gratulieren. Nachdem ich vergebens nach einem Nudelholz gesucht hatte, versucht ich es mit einer Kanonenkugel. Für Piratennudeln eine ausgezeichnete Lösung."

 

Für Freunde der hervorragend choreografierten Kampfpoesie gibt es Absätze in diesem Buch, die Blutdruck und Herz rühren: „Die Menge bewegte sich über Deck, denn Feng ließ sich nicht in die Enge treiben. Hinter sich her zog er eine Spur Toter, manche mit ihrem eigenen Schwert aufgespießt. Feng duckte sich, wich wie eine Flamme aus, umging die zu Boden fallenden Körper, während er mit seinem Hammer unaufhörlich unsichtbare Ideogramme in die Luft zeichnete, jedes mit einem Apostroph aus Blut akzentuiert."

 

Ich habe schon oft in meinem Leben improvisierte Gerichte aus meinem Ärmel geschüttelt, wenn wir uns zu mehreren in einer Wohnung wiederfanden und auf einmal ich etwas kochen sollte, wo ich das doch so gut kann. Dann mache ich auch nichts anderes, als eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Dinge und erstelle in meinem Kopf eine Flowchart in welchem sich dann eine Abfolge von Kochschritten etabliert und ein Gericht aus harmonierenden Lebensmitteln entsteht.

Daher konnte ich mich gut in den Protagonisten hineinversetzen und es freut mich, dass es wohl auch noch andere Menschen dort draußen gibt, die auf diese Art kochen können.

 

Das Buch enthält keinerlei Rezeptverzeichnis. Die Rezepte sind im Text erklärt und lassen sich (zumindest für mich) auch so nachkochen. Die fehlenden Mengenagaben und Kochvorgänge muss man sich selbst herleiten. (Einige Zutaten wie Rüsselkäfer im Mehl sind jedoch schwer aufzutreiben, fürchte ich ...)

 

Ein wundervolles Buch, vielen Dank an den Autor und auch den Droemer-Knaur-Verlag für dieses wundervolle, gebundene Werk, was einen eigenen Platz in der Nähe meines Kindheitsschatzes finden wird!

 

 

[heiko]